13.11.2018
In den USA sind Endoprothesen der unteren Extremität (insbesondere Hüft und Kniegelenksersatz) mit ca. einer Million Eingriffe pro Jahr eine der am häufigsten durchgeführte Operationen – Tendenz steigend.1 Im Kontext einer zunehmend alternden Gesellschaft prognostizierten Kurtz et al. für das Jahr 2030 sogar eine Vervierfachung dieser auf knapp vier Millionen.2 Die amerikanische Versicherungslandschaft macht sich also auf enorme Kostenanstiege gefasst. Entsprechend hoch ist auch die Priorität, diese Eingriffe kostengünstiger werden zu lassen.
Traditionellerweise werden solche Operationen in den USA nach einem Fee-for-service (FFS) Modell, also mit Pauschalen für jeden „Service“ (Operation, Physiotherapie, Laboruntersuchung…) einzeln vergütet. Diese fördern zwar das „Volume“ (viele Prozeduren), aber nicht zwingend den „Value“ (evidenzbasierte Ansätze mit Effekt).3 Ein Modell, das weder erhebliche Kostenunterschiede (von 16.500$ bis zu 33.000$ pro OP), noch qualitative Differenzen (beispielsweise bis zu 3x höhere postoperative Infektionsraten) bei Hüft-oder Kniegelenksersatz berücksichtigt oder zu einer Angleichung dieser geführt hat.4 Versorgungsqualität- und Aufwand sind also je nach Krankenhaus und Region für gleiche Eingriffe extrem unterschiedlich.
Als Problemlösung entwickelten viele Versicherer sogenannte APMs (Alternative Payment Models), also alternative Zahlungsmodelle. Eines der aktuell getesteten Modelle ist das sog. „Comprehensive Care for Joint Replacement“ (CJR) Modell der Centers for Medicare & Medicaid Services (CMS, bekannt durch „Obamacare“).5 Die CMS verpflichteten USA-weit fast 800 Krankenhäuser zur Teilnahme an ihrem fünf Jahre dauerndem Pilotversuch.6
Ab April 2016 wird den teilnehmenden Krankenhäuser nur noch eine Fallpauschale (target price) bezahlt, welche alle fallbezogenen Prozeduren (bei Hüft- und Kniegelenksersatz), die standardmäßig während des Krankenhausaufenthaltes und bis zu 90 Tage danach anfallen, abdeckt. Dieser „Zielpreis“ wird jährlich für jedes Krankenhaus individuell neu angepasst und orientiert sich u.a. an den bisherigen OP Kosten des Krankenhauses sowie der entsprechenden Region.
Zusätzlich fließen aber auch Qualitätskriterien in die Kostenerstattung mit ein. Neben Komplikationsraten innerhalb von 90 Tagen, ungeplanten Wiederaufnahmen bis 30 Tage nach Entlassung und einer Patientenbewertung des Krankenhausaufenthalts (HCAPS survey), können auch bestimmte Patient Reported Outcomes (PROMs) (z.B. Veterans Rand 12 (VR-12), Hip disability and Osteoarthritis Outcome Score (HOOS), Knee injury and Osteoarthritis Outcome Score (KOOS) oder PROMIS Global Health 10) berücksichtigt werden.6
Am Jahresende erhalten die Krankenhäuser dann entweder eine Bonuszahlung oder aber keine vollständige Kostenerstattung, wenn Zielpreis und -qualität unter- bzw. überschritten wurden. Eine im August 2018 erschienene erste Bilanz zeigt auch schon erste Erfolge.7 Die CJR vermelden Kostenersparnisse von 2,3-3,9%, was knapp 500-1100 Dollar pro Fall entspricht. Gleichzeitig konnte die medizinische Qualität erhalten werden.8
Der Ansatz, Vergütung nicht nur an definierte Fälle, sondern auch das Wohlergehen des Patienten zu koppeln, ist ein sinnvoller und längst überfälliger Schritt. Im Sinne des vom Harvard Professor Michael Porter propagierten Value Based Healthcare Konzepts bekommen derartige Bezahlungsmodelle auch zunehmend mehr Aufmerksamkeit in Deutschland und spätestens seit dem Krankenhausstrukturgesetz 2017 sind zukünftige, qualitätsabhängige Zu- und Abschläge sogar gesetzlich verankert.9