Veröffentlicht

August 5, 2022

PROMIS-29

Der PROMIS-29 ist ein generisches PROM zur Messung der individuellen Lebensqualität, das aus 29 Items besteht.

Im Anbetracht des Mangels standardisierter Instrumente zur Erhebung von Patient-Reported Outcomes (PRO) schlossen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler universitärer Einrichtungen sowie der National Institutes of Health (NIH) im Jahr 2004 zu einer Kooperationsgruppe zusammen, um die Erfassung von Gesundheit und gesundheitsbezogener Lebensqualität mit dem Patient-Reported Outcomes Measurement Information System (PROMIS) zu verändern.

Dieses Informationssystem umfasst neben einer umfangreichen Item-Bank zu verschiedenen gesundheitsbezogenen Domänen auch drei fest definierte Profil-Fragebögen: PROMIS-29, PROMIS-43 und PROMIS-57. Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung von Kurzfragebögen mit einer stabilen Anzahl von Items aus sieben PROMIS-Bereichen (Depressivität, Angst, körperliche Funktionsfähigkeit, Beeinträchtigung durch Schmerzen, Erschöpfung, Schlafbeeinträchtigung, Teilhabe an sozialen Rollen und Aktivitäten). Die Profile sind universell und nicht krankheitsspezifisch. Sie bewerten alle Bereiche in den letzten sieben Tagen mit Ausnahme der körperlichen Funktion, für die kein Zeitrahmen angegeben ist. Der PROMIS-29 beinhaltet für jeden der 7 Bereiche jeweils 4 Fragen sowie eine zusätzliche numerische Rating-Skala zur Schmerzintensität (NRS).2, 3

Die PROMIS-Instrumente wurden in großen Referenzpopulationen getestet und validiert, sodass  sie sich für die Forschung zu verschiedenen Erkrankungen eignen. Der PROMIS-29 und seine Domänen wurden weiterhin mit einer Vielzahl von bestehenden Messinstrumenten in verschiedenen Stichproben abgeglichen, darunter mit dem Oswestry Disability Index (ODI), dem Roland-Morris Disability Questionnaire (RMQ), dem Brief Pain Inventory-Pain Interference Domain (BPI), dem fünfdimensionalen Instrument der EuroQol Research Foundation (EQ-5D) und Berechnungen der qualitätsadjustierten Lebensjahre (QALY).3, 4 Auch eine deutsche Übersetzung liegt in validierter Form vor.5

Evaluation des PROMIS-29

Die Entwicklung der PROMIS-Instrumente basiert auf der Item Response Theory (IRT) und einer Auswertungsmethode, welche als “Expected A Posteriori” oder EAP-Score bezeichnet wird. Neben den fest definierten Kurzformen ermöglicht die PROMIS Item-Bank auch eine Anwendung Computer Adaptive Testings (CAT).7

Die individuelle Bewertung der Antworten der Patientinnen und Patienten erfolgt im PROMIS-29 auf einer Skala von 1-5 (mit Ausnahme der NRS von 0-10). Die Punkte werden für jeden der sieben einzelnen Kurzfragebögen aufsummiert und ergeben die jeweiligen Rohwerte (zwischen 4 und 20). Es gibt keinen Gesamtscore, sondern jede Achse bildet ihren eigenen Score. Weiterhin werden die Rohwerte mithilfe von Umrechnungstabellen zu standardisierten T-Werten transformiert (M = 50, SD = 10). (2)[8] 

Zusätzlich wurde die Möglichkeit beschrieben, globale Summenscores für mentale und physische Gesundheit zu berechnen (physical and mental health summary scores). Der Faktor physische Gesundheit setzt sich aus den Domänen körperliche Funktionsfähigkeit, Schmerz (Intensität und Beeinträchtigung) sowie der Teilhabe an sozialen Rollen und Aktivitäten zusammen und der Faktor mentale Gesundheit bezieht sich primär auf emotionale Belastung (Depressivität und Angst).8, 9

Stärken

Der PROMIS-29 zeigt gute bis sehr gute Gütekriterien und der Aufwand für die Bearbeitung ist durch die überschaubare Itemanzahl gering, was die Beteiligung von Patient:innen erhöht.  Gleichzeitig hat er hat im Vergleich zu den meisten konventionellen Erhebungsinstrumenten einen größeren Messbereich, wodurch floor- und ceiling-effects (Boden- und Deckeneffekte) verringert werden.9, 10

Zusätzliche Merkmale wie Inklusivität (d. h. Anwendbarkeit auf ein breites Spektrum von Patient:innen) und Vergleichbarkeit (d. h. Vergleichbarkeit der Messwerte über verschiedene Patient:innen und Krankheitsbilder hinweg) machen die PROMIS-Instrumente attraktiv für eine breite Anwendung in Forschung und klinischer Praxis.11, 12, 13, 14

Limitationen

Mögliche Einschränkungen des PROMIS-29 liegen in der Breite des Spektrums, die der Score abzudecken versucht. Ein generischer Score wie der PROMIS-29 alleine kann spezifische Krankheitsbilder und der Veränderung von Symptomen über die Zeit möglicherweise nicht ausreichend erfassen.15, 13  Diese Einschränkung kann jedoch durch eine Ergänzung mit anderen krankheitsspezifischen Instrumenten ausgeglichen werden. Aktuelle Studien verschiedener Fachrichtungen verwenden beispielsweise eine Kombination aus PROMIS-29 und unter anderem dem ebenfalls häufig verwendeten Knee Injury and Osteoarthritis Outcome Score (KOOS) oder dem ODI/NDI im Bereich Orthopädie, der MD Anderson Symptom Inventory (MDASI) in der Onkologie, dem Irritable Bowel Syndrome Severity Scoring System (IBS-SSS) im Bereich Gastroenterologie oder dem Seattle Angina Questionnaire (SAQ) in der Kardiologie16, 17, 18, 19, 20, 14 . Auch die heartbeat Standard Sets kombinieren den PROMIS-29 als generisches Instrument mit einem krankheitsspezifischen Patient Reported Outcome (PRO) des entsprechenden Krankheitsbildes.

Vergleich mit anderen generischen PROMs

Die Studienlage zum Vergleich des PROMIS-29 mit anderen generischen Scores ist rar. Eine Untersuchung ergab Vorteile zugunsten des PROMIS-29 gegenüber des SF-36 hinsichtlich der Faktorenstruktur.11, 15  Weiterhin konnte bezüglich der Summary Scores (physical health, mental health) eine methodologische Überlegenheit des PROMIS-29 gegenüber des VR-36 festgestellt werden, da diese Summenscores im PROMIS-29 nicht von einer orthogonalen Struktur ausgehend berechnet werden.(13)[16]  Der Vergleich mit dem EQ-5D-3L zeigt ebenfalls eine Überlegenheit des PROMIS-29 aufgrund starker Boden- und Deckeneffekte bei ersterem Instrument. In Bezug auf den EQ-5D-5L existiert eine wachsende Zahl an Studien, die sowohl diesen als auch den PROMIS-29 einschließen. Es mangelt zwar an direkten Gegenüberstellungen, jedoch wird bereits angenommen, dass der PROMIS-29 im Vergleich zum EQ-5D sensitiver für Unterschiede in Gesundheitszuständen ist, da er ein breiteres Spektrum an gesundheitsbezogenen Domänen abdeckt21, 17 

Lizenz

Für die Umsetzung der PROMIS-Instrumente ist es notwendig, sich mit dem nationalen PROMIS-Center in Verbindung zu setzen. Nach Angaben des Anbieters sind die Lizenzgebühren verhandelbar, werden aber auf ca. 250 Euro pro Jahr und Abteilung geschätzt.18

Zusammenfassung

Die PROMIS-Initiative hat die Wissenschaft der PRO-Messung durch die Entwicklung von Instrumenten unter Verwendung sowohl qualitativer als auch quantitativer moderner Methoden vorangebracht. Eine weitere große Errungenschaft von PROMIS ist die Schaffung einer Rahmenstruktur zur Erfassung von Gesundheit, die für Standardisierungsprozesse unerlässlich ist. Der PROMIS-29 wurde in zahlreichen Studien verwendet und mit Querverbindungen zu anderen Instrumenten validiert (4)[19] .

Heartbeat Medical empfiehlt die Nutzung des PROMIS-29 für den fachübergreifenden Einsatz in der klinischen Praxis. Die generische und breit gefächerte Gesundheitserfassung mit dem PROMIS-29 bietet eine solide Basis für die darauf aufbauende spezifische Erfassung einzelner Krankheitsbilder.

In Kombination mit weiteren, krankheitsspezifischen Instrumenten ist er daher fester Bestandteil der heartbeat Standard Sets.