Oswestry Disability Index (ODI)

Hintergrund zum Oswestry Disability Index

Der Oswestry Disability Index (ODI) wurde 1976 von John O’Brien entwickelt, nachdem er Patientenbefragungen durchgeführt hatte, die sich auf Schmerzen im unteren Rückenbereich bezogen. Im Jahr 1980 veröffentlichten O’Brien et al. eine erste Version des Fragebogens, der seitdem mehrfach modifiziert wurde.1,2 Der ODI ist heute ein weit verbreiteter Fragebogen zur Bewertung des funktionellen Status und der Beeinträchtigung der Lebensqualität bei Patienten mit Rückenschmerzen sowie Rückenmarkserkrankungen und -verletzungen in der Forschung und im klinischen Umfeld.3 – 6 Die aktuellste Version des ODI ist die Version 2.1.a., die Aufschluss darüber geben soll, wie Rückenschmerzen die Fähigkeit der Patienten zur Bewältigung von Alltagsaktivitäten beeinträchtigen.3

Inhalt des ODI

Der ODI besteht aus 10 Items und bewertet den Funktionsstatus und die Beeinträchtigung der Lebensqualität bei Patienten mit akuten oder chronischen Rückenschmerzen. Für leichte bis mittlere Behinderungen gilt der Roland-Morris Disability Questionnaire als besser geeignet.7 Der Index fragt nach Funktionseinschränkungen bei verschiedenen Aktivitäten des täglichen Lebens, wobei der Indexwert von 1 (am besten) bis 100 (am schlechtesten) reicht.8 Unter anderem werden Schmerzintensität, Körperpflege, Gehen, Schlafen, Sozialleben, Sexualleben (optional) und Reisen vom Patienten bewertet.

Jeder Abschnitt hat sechs Antwortmöglichkeiten, die mit Punkten von 0 bis 5 bewertet werden. Theoretisch ist nur eine einzige Antwort in einem Abschnitt erforderlich, um einen ODI-Wert zu erhalten. Der Fragebogen wurde für viele verschiedene Sprachen und Kulturen angepasst und validiert (darunter Deutsch, Französisch, Chinesisch, brasilianisches Portugiesisch, Arabisch, Türkisch und Polnisch, um nur einige zu nennen).4 Das Ausfüllen des Fragebogens dauert etwa 3-5 Minuten.1

10 Dimensionen des täglichen Lebens, die der ODI berücksichtigt

  • Schmerz
  • Körperpflege

  • Heben

  • Gehen

  • Sitzen

  • Stehen

  • Schlafen

  • Sexualleben

  • Sozialleben

  • Reisen

Auswertung

Jedes Item besteht aus 6 Aussagen (Punktzahlen 0-5) und wird vom Patienten in Bezug auf seinen aktuellen Funktionsstatus bewertet. Aus den vergebenen Punkten wird eine Summe gebildet, die dann durch den Maximalwert (50 Punkte) geteilt wird. Bleibt nur eine Frage unbeantwortet, sinkt der Maximalwert entsprechend auf 45 Punkte und die Punktzahl kann normal ausgewertet werden.10

Die sich ergebende Punktzahl wird dann mit 100 multipliziert, um einen Prozentsatz zu erhalten, der als Gesamtpunktzahl bezeichnet wird und von 1 bis 100 % reicht, wobei höhere Punktzahlen eine schwerere Behinderung anzeigen. Fairbanks empfiehlt, die endgültige Prozentzahl auf ganze Zahlen zu runden.2

Ein Beispiel:

Wenn alle 10 Abschnitte ausgefüllt sind, wird die Punktzahl wie folgt berechnet:

Wenn 22 (Gesamtpunktzahl) von 50 (mögliche Gesamtpunktzahl) x 100 = 44%

Wenn ein Abschnitt ausgelassen wird (oder nicht anwendbar ist), wird die Punktzahl wie folgt berechnet

Wenn 22 (Gesamtpunktzahl) / 45 (mögliche Gesamtpunktzahl) x 100 = 48,8%, aufgerundet auf 49%.

Interpretation des ODI Scores

0 – 20 %: leichtgradige Behinderung
20 – 40 %: mittelgradige Behinderung
40 – 60 %: starke Behinderung
60 – 80 %: invalidisierend
80 – 100 %: bettlägerig oder funktionelle Störung

Nutzung des ODI

Stärken

Der ODI ist kurz (3-5 Minuten Beantwortungszeit), schnell auszuwerten und in der Klinik damit vergleichsweise leicht anwendbar. Er wurde in verschiedenen klinischen Settings ausführlich auf Sensitivität, Validität sowie Reliabilität getestet und zeigt gute psychometrische Eigenschaften.5-6 Mittlerweile ist er ein vielgenutzer Index zur Beurteilung von Kreuzschmerz.11  Es wurde auch in Registern wie dem Wirbelsäulenregister der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft implementiert.12

Schwächen

In der Literatur wurden über die Jahre viele verschiedene ODI Versionen, teils auch veränderte, nicht autorisierte Versionen verwendet. Selten sind diese konkret gekennzeichnet, wodurch eine Vergleichbarkeit, v. a. mit älteren Studien nur eingeschränkt möglich ist.10 Außerdem wird die Frage 8 (Sexualleben) von Patienten oft ausgelassen.11

Lizenzen

Der ODI steht unter Copyright und es muss eine Lizenz beantragt werden. Für Studenten, Ärzte und „not funded academic users“ sowie bei klinischer Anwendung ist die Verwendung des ODI kostenlos. „Funded academic users“, „commercial users“ und IT-Firmen müssen eine Lizenz beantragen und mit Kosten rechnen.4

Fazit

Insgesamt ist der ODI ein robuster, weit verbreiteter und in vielen Sprachen validierter Score zur Bewertung des Funktionsstatus von Patienten mit Kreuzschmerzen und den damit verbundenen Behinderungen. Frage 8 (Sexualleben) könnte sich aufgrund der als sensibel empfundenen Art der Abfrage einschränkend auf die Compliance der Patienten auswirken.

Grundsätzlich sollte jedoch jeder Forscher/Arzt bei der Auswahl der Fragebögen zunächst entscheiden, welche Outcomes er primär bewerten möchte.15 – 19 Für Funktionalität und Lebensqualität wird der ODI empfohlen, ein multidisziplinärer Kosten-Nutzen-Vergleich von Rückeninterventionen sollte mit dem EQ-5D durchgeführt werden usw. In seiner Empfehlung für die Ergebnismessung bei Rückenschmerzen hat das International Consortium for Health Outcomes Measurement (ICHOM) den ODI neben u. a. dem EQ-VAS oder dem EQ5D-3L in sein PROM-Set aufgenommen.18